Mit lieben Grüßen aus Kanada
Euer Marian
Euer Marian
Am 18. Juli von Inishmore in den Wald bei Cahir
Beeindruckend, wie schnell doch die verschiedensten Eindrücke an einem vorbeifliegen können. Beeindruckend, welches Wechsel-dich-Spielchen Irland spielen kann und doch immer liebenswert nah bleibt. Meine heutigen Herbergseltern hatten auch den Eindruck, ich müsse geflogen sein, von den Aran Islands bis hierher und das, obwohl es doch "nur" gut 200 Kilometer Luftlinie sind.
Ausnahmsweise war ich heute Morgen mal der Erste im Hostel und machte mich vormittags auf, das andere Ende von Inishmore zu erkunden. Es war noch grauer als die Tage zuvor - diesmal ein intensives Nassgrau, welches auch erst am späten Abend weichen sollte. Dún Aonghasa konnte ich gerade so im Sturm noch erreichen - das Ende der Insel hätte ich sowieso nicht sehen können. Stattdessen ein weiteres beeindruckendes prähistorisches Monument auf irischem Grund. 300 Fuß über dem Meer steht auf einer Steilklippe, die gen Amerika gewandt ist, eine monumentale Befestigungsanlage. Bis auf einen halben Meter habe ich mich an ihr Ende herangetraut und kann der Versicherung immer noch nicht recht glauben, dass hier noch nie ein Mensch abgestürzt sei.
In Marions Artist Hostel hängt über dem Frühstückstisch ein Foto von Fischern, die oben auf der Klippe sitzen, ganz ohne Höhenangst als handle es sich um den Treppenabsatz ihrer Eingangstür. Im Hostel frühstückten mittlerweile zwei Holländerinnen und ein Franzose, mit denen ich noch kurz nett ins Gespräch kam, bevor die Mittagsfähre stark schwankend das Festland anpeilte.
Wenig später konnte Galway mit seinen bunten Hafenhäuschen und einer monumentalen und dennoch schönen Kathedrale beeindrucken. Im dicksten Vorabendnebel stand ich dann, nach einer Fahrt durch die eigentlich zur Wanderschaft reizenden Burren, auf einer weiteren Klippe - die touristisch zu gut erschlossenen Cliffs of Moher. Wahnsinn , wie man das Salz des Wassers noch in 200 Meter Höhe schmecken kann. Tja, und nachdem ich dann auch das Arbeiterstädtchen Limerick durchquert hatte, war es nicht mehr weit bis zum Mountain Lodge Hostel.
Hier sitze ich nun bei zwei flackernden Gaslampen vor dem Torffeuer im Kamin. vorher hatten die irischen Männer noch wild über Politik diskutiert, während mich Margret zu meinen Zukunftsplänen ausfragte - ganz genau so wie Hugo Hamilton es beschrieb. Man mag es nicht glauben, dass es dieses Irland noch gibt, wenn man im Allteag Dublins steckt. Doch es schreint, als hätte ich, in the end, die irische Seele doch noch gefunden - an drei wunderschönen Tagen in Irlands Westen.
Am 17. Juli von Achill nach Inishmore
Day 2 erinnert als erstes an diesen wundervollen Song von Readymade - stellt aber abends schon den Wendepunkt dieser Reise dar, denn ab morgen geht es, zwar im großen Bogen, aber doch stetig zurück nach Dublin. Doch der Wendepunkt ist definitiv ein Höhepunkt.
Bei stetigem Regen gab es auf Achill das Deserted Village und Keem Beach zu sehen. Das unfassbar smaragdgrüne Wasser hat sogar manche zum Baden verleitet. Schöne Strände gab es noch einige zu sehen...
Über Westport ging es weiter in Richtung Cliften - bis rechts ab vom Weg die Schilder zu Kylemore Abbey wiesen. Ein beeindruckender Bau, tausendfach fotografiert, da das dunkle Lough davor so schöne Motive liefert.
Gerade wuselt Marion um mich herum, die das Hostel hier leitet, nur im Winter von der Insel aufs Festland kommt und sich über den Gleichklang unserer Namen freut. Das Festland ist Galway - die Insel ist Inishmore, die größte der Aran Islands. Hier befindet man sich im Gaelteacht (dem gälischsprachigen Teil Irlands) und würde ohne Zufall nicht einmal die Polizeistation finden. Die Inseliren wie Marion leben recht einfach und sprechen elliptisches Englisch. Eine skurile Insel ist Inishmore, auf der man das Auto gegen ein Fahrrad tauscht und auf der sich wohl mehr Cyclists als in ganz Restirland befinden.
Die 900 Einwohner der Insel leben heute alle vom Tourismus - sogar die wenigen, die noch Rinder zwischen den Steinmauern züchten, machen dies, um den einzigartigen Charme der Inseln aufrecht zu erhalten Denn selbst Inishmore hat UMTS-Funkmasten und alle Fernsehsender.
Da ist man doch glücklich, wenn einem der Akku versaggt, das Ladegerät auf dem Festland liegt und man voll bunter Gedanken die Einsamkeit genießen kann. In der Dunkelheit träumend vom smaragdgrünen Wasser, das bei Sonnenaufgang auf einen warten wird.
Am 16. Juli 2008 - von Dublin nach Achill
Der Abschied vom Alltag in Dublin fiel nicht allzu schwer - in Anbetracht dessen, dass die irische Wildnis auf mich warten würde. Und so spuckten Dublins Straßen mich aus ihrenm breiten Schlund förmlich aus - am Nachmittag bis nach Lough Owen, welches ein Paradies für jeden Segler gewesen wäre, aber einsam seine Wellen ans Ufer schlagen ließ. Am Abend dann im stillen Westport, welches nur so vorbei flog und trotz des tief grauen, immer wieder weinenden Himmels, ganz bunt erschien. Ebenso wie die Landschaft Westmayos, die mit ihrer üppigen Vegetation aus meterhohen Fuchsien- und Rhodedendronsträuchern, großblättrigen Gräsern und rotbraunen Hügeln, sich ganz bizarr dem Wetter entgegenstellte. Und diese Wiesen - so grün als würden sie trotz fehlender Sonne von unten lichtstark angestrahlt oder als hätte Photoshop mal wieder geschummelt.
Am späteren Abend erschien sie endlich am Horizont - die Spitze von Achill. Von Böll und Hamilton mystifiziert, wartete sie mit Understatement auf. Doch spätestens nachdem man einspurig Achill Sound überquert hatte, war die einmalige Szenerie auch durch graue Wolken nicht mehr zu verstecken.
Nachdem ich das Valley House Hostel erreicht, mir ein Bett für die Nacht in dem altehrwürdigen Gutshaus ergattert und meinen Magen gefüllt hatte, wollte ich es spüren, dieses Achill. Dieses Achill, so stellte sich heraus, das ist der Wind. Der Wind, der in Böen musiziert, Sträuche und Gräser rascheln, Wellen schlagen, Tore klappern und alles zusammen rauschen lässt. Nur eines schafft er nicht - die Wolken, die sich in den zwei, fast 700 Meter hohen, Spitzen Achills festgebissen haben, zu vertreiben. Im Pub des Hostels kümmern sich die gesprächigen Gäste noch nicht um ihn, wohl aber dann, wenn der Tag in ihren Betten ausklingt und der Wind von Achill die Stille ist.